Arm in Arm mit Delhi

Da waren sie um. Zwei ereignisreiche und großartige Monate in Delhi. Ich schwöre, ich habe mittendrin immer mal an meinem Beitrag geschrieben, bin aber leider nicht zu Potte gekommen ihn zu veröffentlichen. Daher bekommt ihr heute wieder die geballte Ladung. So langsam müsstest ihr euch aber an die Länge meiner Berichte gewöhnt haben. ;-D

 

Aus zwei macht drei, manchmal sechs und fünf und am Ende steht eine vier

Der Blick von unserem Balkon. Wir schätzen uns sehr glücklich das nächste Haus nicht in 2cm Entfernung zu haben. 😀

Lasst mich am Besten mit meiner Wohnsituation beginnen. Diesbezüglich hatte sich ergeben, dass ich bei einem Freund untergekommen bin, bei welchem ich mich auch schon im Februar/März diesen Jahres untergemietet hatte. Eigentlich wollte ich nur ein paar Tage bleiben und mich nach etwas anderen umschauen, aber Amit hatte mir ziemlich zügig angeboten, für den Zeitraum, welchen ich in Delhi sein werde bei ihm zu wohnen und das für auch indische Verhältnisse sehr kleines Geld. Sachen hin und her tragen und weitere Unkosten blieben mir somit erspart und dafür war ich sehr dankbar. Auch sein Mitbewohner hatte nichts dagegen und somit war die Suche nach einem anderen Zimmer beendet und ich konnte mich dort einrichten, wo ich mich quasi auch schon zu Hause fühlte. Ich habe Amit bei meiner ersten Indienreise vor vier Jahren kennengelernt. Seit dem verbindet uns eine wirklich tolle Freundschaft. Ich mag beide Jungs, ihn und seinen Mitbewohner, schon sehr. Beide sind sehr witzig und es macht sehr viel Spaß mit Ihnen zusammenzuwohnen. Amit ist Journalist und Anirudh arbeitet in soetwas wie einer Gewerkschaft, macht aber auch was mit Finanzen, ganz habe ich es nicht verstanden. Politische Themen als auch Geschichte Indiens und der Welt standen bei uns auf der Tagesordnung. Keine meiner nicht-indischen Freunde ist so an europäischer und weltweiter Geschichte interessiert, wie meine indischen Freunde. Da passiert es auch mal, dass sich Anirudh an einem Sonntagmorgen (!), seinem einzigen freien Tag, Dokumentationen über Deutschland zur Zeit Bismarcks anhört!!! Thematisch wird fast nix ausgelassen. Antike, die Römer, König- und Kaiserreiche im europäischen Mittelalter, Russland, Kommunismus, Sozialismus, Erster und Zweiter Weltkrieg inklusive Nachkriegszeit und Mauerfall – aber auch das indische Kastensystem, innere Gesellschaftstrukturen und deren Probleme sowie Politik und Wirtschaft des eigenen Landes. Beeindruckend. Die beiden wissen mehr über europäischen Geschichte und ihre Zusammenhänge als ich. Aber gut, ich bin da ganz entspannt, hörte mal mehr mal wenige zu und lernte hier und da etwas. 🙂

Die Wohnung selber befindet sich etwas weiter im Süden von Delhi. Der Weg in die Stadt dauert etwas länger, aber ich mag den Stadtteil und die Wohnung schon sehr. Hier habe ich meinen Obst- und Gemüseladen und meinen Saftmann. Die Familie von dem Lebensmittelgeschäft, in denen wir alles für den täglichen Gebrauch bekommen, kennt mich nun auch schon. Die Wohnung hat eine vollständig eingerichtete Küche mit Fenster (!) und Kühlschrank (!), wir haben eine Waschmachine (!) und Internet (!). Strom fällt nur sehr selten aus und wenn dann nicht wirklich lang (zwischen 5 Minuten und eins bis zwei Stunden). Warmes Wasser kommt nicht aus der Wand, aber wir haben einen XXL-Tauchsieder für einen großen Eimer, welchen wir zum „duschen“ nutzen. 🙂 Geschlafen habe ich mit in Amits Zimmer, jeder hatte seine eigene Matratze auf dem Boden. Gearbeitet habe ich mal hier und da – Wohnzimmer, Amits Zimmer und Balkon.

Amits Großzügigkeit hinsichtlich seines Wohnraumes spiegelte sich von Zeit zu Zeit in der Anzahl der Personen wieder, welche in der Wohnung übernachteten. Zu Spitzenzeiten waren wir zu sechst in einer etwas kleiner geschnittenen Drei-Zimmer-Wohnung. Dies jedoch nur für einige Tage. Zu fünft kam dann schon etwas öfter und auch für länger vor und die letzten drei Wochen ist noch eine andere Freundin bei uns eingezogen und da waren wir also zu viert. Außer im Bad, gab es keine Minute in den letzten beiden Monaten in denen ich alleine war. Und das war durchaus in Ordnung. Ich genoss das Zusammensein mit den Anderen und möchte es keinen Tag missen. 🙂

 

Was kochen wir heute?

Für die kleinen roten benötigt man eine Gebrauchsanweisung! 🙂

Essen ist in Indien eines der wichtigsten Themen und so auch bei uns. Wir haben täglich zusammen gekocht. Wir meinen Amit und ich. Anirudh hat sich zu 90% aus dem Kochgeschäft herausgehalten und dafür zu 60% den Abwasch übernommen. 😀

Aus Deutschland hatte ich zwei große Tüten Lebkuchen und fünf unterschiedliche Sorten Käse mitgebracht. Lebkuchen war meine Idee und Käse hatte sich Amit gewünscht. Ja, ich weiß, Lebkuchen bereits im September in den Supermärkten vorzufinden ist vielleicht ein wenig früh, aber ich war darüber dieses Jahr sehr glücklich. Es war sehr witzig in die Gesichter meiner Freunde zu blicken, als sie das erste Mal in ihrem Leben in den Genuss eines Lebkuchen kamen. Und ich war sehr glücklich, den Genuss von Käse auch über Deutschlands Grenzen hinaus noch etwas verlängern zu können. Wenn man etwas in Indien nur sehr schwer bzw. für viel zu teures Geld bekommt, dann ist das Käse. Das heißt, wir  zogen unseren Vorrat so weit es ging in die Länge und hatten hier und da immermal ein kleines Stück. Auch sehr witzig zu beobachten: die Gesichter als sie meine Gorgonzolasoße probierten. Ergebnis: der Lebkuchen gewann um Längen diesen Geschmackstest. 😀

Ebenso im Gepäck, mein Frühstücksbrei und ein Starterkit Nüsse, Samen und Trockenfrüchte. Jeden Morgen in diesen zwei Monaten, mit Ausnahme von vielleicht zwei oder drei Tagen, bereitete ich unser Müsli oder Haferbrei vor. Nach anfänglichen skeptischen Blicken, in denen eindeutig zu lesen war: „Das kann man essen? Das sieht aber komisch aus! Das kann nicht schmecken! Ihr Deutschen und euer Müsliding!“, bekehrte ich sie. Alle und jeden. Sie liebten es, was mich unglaublich freute. 🙂

Obwohl ich immer mehr Inder kennenlerne, welche ihr Essen nicht so scharf mögen: meine Mitbewohner liebten ihr Chili. Den grünen kleinen, den grünen großen und den gefährlichen kleinen roten. Mit der Zeit kam ich immer besser mit den grüne Varianten zurecht und ertappte mich sogar in den letzten 14 Tagen meines Aufenthaltes sie freiwillig und ganz offiziell auf meine Zutatenliste zu setzten. Aber der rote…, nein…, von dem ließ ich die Finger. Ich bekam immer eine kleine Schale für mich abgefüllt, sobald entschieden wurde, dass das Gericht nur mit mindestens fünf bis sechs Stück schmecken kann. 🙂 Mein eigener persönlicher Notfallplan, falls das Essen doch zu scharf geraten war: Jogurt, Jogurt, Jogurt. Den hatten wir immer im Haus. Einfache, aber notwendige Überlebensstrategie. 🙂

Aber zurück zum Chili: Dieser wird  in einem kleinen Topf in Öl ertränkt/frittiert/gebraten und dann dem Gericht hinzugefügt. Amit und Anirudhs Freundin waren die Chefköche an einem Abend und entschieden ihr Gericht mit rotem Chili zu verfeinern. Habt ihr schon einmal Chili in heißem Öl frittiert? Wenn ja, dann wisst ihr, dass es für einen Normalsterblichen eigentlich nicht möglich ist, während des Prozesses mit diesem Chili in einem Raum zu sein. Sobald die Dämpfe das heiße Öl verlassen, fing ich jedes Mal an zu husten. Wenn es gar nicht mehr ging, zog ich mich für einige Minuten auf den Balkon zurück. Problem an besagtem Abend: Sowohl Amit als auch Bhamati waren stark erkältet. Sie ließen den Chili zu lange in dem heißen Öl brutzeln und für fast über eine halbe Stunde war es kaum mehr möglich in unserer Wohnung zu atmen. Wir schalteten alle vorhandenen Ventilatoren an und öffneten alle verfügbaren Fenster und Türen, um frischer Luft Eingang in unsere vier Wände zu gewähren. Die zwei lachten sich kaputt. Ja, Moral von der Geschicht: frittier niemals Chili wenn du eine Erkältung hast nicht! 😀

Kochen mit Amit macht Spaß. Dank ihm habe ich nun endlich die Zubereitung einer handvoll indischer Gerichte gelernt. Das heißt, das nächste Mal wenn ich zu Hause bin und euch wieder nach Obdach frage, ist mindestens eins, wenn ihr mögt natürlich auch mehr, indisches Gericht garantiert. 🙂 Ich konnte mir sogar meine Lieblingsgerichte von ihm wünschen. Großartig. 🙂 Im Gegensatz zu mir hat er bereits als kleiner Junge aufgepasst und seiner Mutter in der Küche assistiert. An einem Abend fand bei uns sogar ein kleiner „Wer-macht-den-besten-Dosa-Wettbewerb“ statt. Alle vier von uns gingen ins Rennen. Mein letzter Versuch entpuppte sich als ein Meisterwerk, welches große Beachtung fand und mich zur Siegerin des Wettkampfes erklärte. Ich war schon ein wenig stolz. Ich, die einzige Nicht-Inderin im Haus wurde zur Dosa-Queen gekürt. Sehr, sehr witzig… 😀

Fazit: Ich weiß jetzt also ein bisschen mehr mit Curry Blättern, Kreuzkümmel, Koriander, Senfsamen, Kardamom, Kurkuma und Chili anzufangen.

 

Meine ersten 14 Tage

Makoto Kuriya – das japanische Jazz Ensemble rockte den Saal. Wer gute Augen hat: Mitte, zweite Reihe, vierter Platz von links in einer schwarzen Jacke: das bin ich. 🙂

Es ist wunderbar, auch auf diesem Teil der Erde wundervolle Freunde zu haben. Und diese habe ich den ganzen Zeitraum über auch fleißig getroffen. Ravi kam extra einen Tag eher aus Jodhpur. Wir haben über unsere beiden Sommer berichtet, Photos geguckt und gekocht. Mohit war drei Wochen auf Heimaturlaub. Er arbeitet seit gut einem Jahr in Ägypten und wir haben es geschafft uns drei Mal zu sehen. Ein weiterer Freund, welchen ich dieses Jahr während meiner Zeit in Dharamshala kennengelernt hatte, hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Dieses Mal wurde ich bekocht, wir waren spazieren und sprachen über seine Geschäftsidee. Er lebt mit seinen Eltern und seiner über 80jährigen noch sehr fitten Oma zusammen. Bemerkenswerte Frau, welche mir ein Gedicht von einem berühmten Dichter vortrug und ganz praktisch das Gemüse von Herd rettete, als Siddharta es dort vor sich hin hatte brutzeln lassen. Waris hatte mich zu einer Pizza auch zu sich zu Hause eingeladen. Mit Saurabh war ich Mittagessen, einen Chai trinken und anschließend kurz bei ihm zu Hause seinen Eltern und seinen beiden Jungs ‚Hallo‘ sagen. Prateek, auf dessen Hochzeit ich Anfang Dezember eingeladen war, war aus Arbeitsgründen drei Tage in Delhi und wir hatten uns auf ein gemeinsames Sonntagsfrühstück getroffen. Ich habe meine erste offizielle Einladungskarte zu einer indischen Hochzeit überreicht bekommen. Yeahhhh…. In der zweiten Novemberhälfte hieß es dafür einkaufen zu gehen. Ein Abenteuer für sich. Mit Rajiv habe ich Diwali gefeiert und war auf einem Jazz Konzert von einer doch sehr bekannten japanischen Jazzband mit anschließendem Drink. Mit Rajiv hatte ich dieses Jahr auch schon Holi verbracht und wir hatten es sogar einmal, an einem sehr frühen Samstagmorgen, geschafft im Park Joggen zu gehen. 😀 Diwali mit ihm war auch wieder super. Wir haben zusammen Kerzen auf dem Balkon und im Treppenhaus angezündet. Lakshmi und Ganesh Süßigkeiten dargeboten und die beiden Götter um ein gutes neues Jahr und Gesundheit für die Familie und Freunde gebeten. Wir haben Räucherstäbchen angezündet, welche erst über den Götterfiguren geschwungen und dann in jedem Raum verteilt werden, um diese zu reinigen. Ich hab fleißig Gemüse geschnippelt und Rajiv hat gekocht. Unser Essen haben wir dann gemütlich auf dem Balkon sitzend verspeist, wobei wir auf mit Lichterketten geschmückte Häuser und über drei bis vier Stunden andauernde hier und da aufsteigende Raketen geschaut haben. Gegen zwei neigte sich unser Abend dann dem Ende entgegen. Rajiv hatte einen frühen Termin am Sonntagmorgen, so dass uns vier Stunden Schlaf blieben. 🙂

Weiterhin versuche ich auch immernoch die Mädels zu treffen, welche ich vor zwei Jahren in der Sprachschule kennengelernt hatte. Im Gegensatz zu meinen männlichen indischen Freunden geben die vier mir noch einmal einen ganz anderen Einblick in die indischen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, welche großen Druck auf Anfang 20-jährige Frauen ausübt. 4 Augenpaare blickten mich fragend an. Ich wäre soviel gereist und hätte so viele Erfahrungen gesammelt. Falls ich eine Idee hätte, wie sie mehr Geld verdienen können, um so unabhängiger von ihren Familien zu sein, wären sie sehr dankbar. Wenn sie keinen Weg finden würden, allein zu (über)leben, würde der Tag kommen, an dem ihre Eltern eine Hochzeit für sie arrangieren. Das Schicksal wäre besiegelt, sie könnten mit großer Sicherheit ihre Ausbildung zu Ende bringen, doch ob sie arbeiten gehen dürften, das wissen sie nicht, das käme auf den Ehemann drauf an. Doch sie wollen unabhängig sein, ihr eigenes Geld verdienen, ihr eigenes Leben und Schicksal bestimmen.

Tja, was soll ich sagen. Was rät man da? Wo fängt man da an? Alle vier arbeiten seit etwas über einem Jahr als Lehrer. Unterrichten kleine Kinder. Das war der einzige Weg, welchen sie einschlagen konnten bzw. der ihnen angeboten wurde. Und es war offensichtlich, das sie sich darin eingeschränkt oder sogar gefangen fühlten. Es gab keine Entwicklungsmöglichkeiten, welche ihnen ein unabhängigeres Leben ermöglichten. Doch leider hatten sie auch keine Ideen, in welche Richtung es gehen könnte. Sie haben nicht wirklich viele Interessen, auf die ich meine Ratschläge hätte aufbauen können. Ich hatte keine Anknüpfungspunkte oder sie gaben mir keine, was es für mich unmöglich machte, ihnen mögliche Richtungen aufzuzeigen. Ich konnte keine Lösung für ihr Anliegen herbeizaubern, was sie sich womöglich stark erhofften.

Ihr Hilfegesuchen hat mich schon ein wenig beschäftigt, aber hier wusste ich keinen Rat. Im Moment bleibt mir nur die Rolle des Beobachters. Ich werde sehen, wieviel Eigeninitiative die Mädels ergreifen, um ersthaft ihre Situation zu verändern. Das ist überall auf der Welt das Gleiche, das hat nichts mit Indien zu tun. Eigeninitiative muss man auch in unserer Welt ergreifen, wenn man seine Situation verändern oder sein Ziel erreicht sehen möchte. Und dies ist nirgendwo einfach. Es bleibt also spannend, auch in ihrem Leben.

 

Hindi ist das asiatische Deutsch

Ein Teil des ABC und wo im Mund die Buchstaben geformt werden.

Hindi ist das asiatische Deutsch – so die Worte unseres Hindilehrers gleich in der ersten Stunde. Okay, dachte ich mir, wenn das so ist, dann mal los. Keine Ahnung was genau er da meinte, aber vielleicht wird mir ja einiges bekannt vorkommen oder vielleicht fällt mir ja Hindi weniger schwer als Englisch, Französisch oder Italienisch – mir, dem ausgezeichneten Sprachgenie….. Schenkelklopferwitz….. 😀 Ich war die einzige Deutsche im Kurs. Neben mir saßen drei Französinnen, eine von ihnen mit indischen Wurzeln, eine Texanerin, ein Mädel aus Panama und unser einziger männlicher Teilnehmer, auch indischen Ursprungs, durfte unter anderen die Malediven seine Heimat nennen. (Neid? Nein, eigentlich nicht. ;-D )

Da Indien in den nächsten Jahren womöglich meine zweite Heimat ist, wäre es grundsätzlich nicht so verkehrt etwas mehr die lokale Spache zu sprechen. Dachte ich mir in meinem, ja noch immer jugendlichen Leichtsinn und meldete mich zu einem vierwöchigen Intensivkurs Hindi an. Es ist auch die Schuld dieses Kurses, ja, auch ich brauche ab und zu einen Schuldigen ;-D, dass ihr diese Zeilen erst jetzt lest. Gleich am ersten Tag wurde uns sehr deutlich vermittelt, das die ganze Veranstaltung kein Spaziergang werden wird. Ohhhkay. Aus Erzählungen wusste ich, dass das indische Bildungssystem viel härter ist als wir es aus Deutschland kennen, aber ich machte das ganze hier aus ernsterem Spaß oder spaßigerem Ernst, was bedeutet: ja, ich wollte die Sprache lernen, doch ohne viel Druck und in seichtem Tempo. Ein bisschen intensiver als wir es aus unseren VHS Kursen oder Sprachschulkursen für Erwachsene gewöhnt waren. Also ein bisschen mehr als nur eins oder zwei Mal die Woche für eins bis zwei Stunden, ein neues Wort hier, eine neue Zeitform da, hier ein Rollenspiel oder dort ein wenig Hausaufgaben. Ich hatte mich für drei Stunden täglich von Montag bis Freitag angemeldet und das für insgesamt vier Wochen. Als der Lehrer jedoch locker flockig verkündete er dachte so an 3 bis 4 Stunden zusätzliche Hausaufgaben PRO TAG, fand sich ein breites Grinsen mit erstaunt geweiteten Augen in meinem Gesicht wieder. Auch wenn ich mich nicht mehr ganz genau erinnern kann, aber mit großer Sicherheit konnte ich einen leicht überraschten Lacher nicht zurückhalten. 6 bis 7 Stunden Hindi am Tag war ein bisschen gruselig und witzig zugleich. Ich mein, ich hatte nicht auf dem Plan mein Leben für die kommenden vier Wochen grundsätzlich zu ändern und meine anderen Projekte und Vorhaben auf Eis zu legen. Daneben waren noch so elementare Notwendigkeiten wie kochen und schlafen zeitintensiv, jedoch wie gesagt elementar und notwendig. Und was sollte mit meinem sozialen Leben geschehen….. aaahhhhh….. Was hatte ich getan??? 😀

Was war die Lösung? Einfache Antwort: Einfach so viel Lernen wie ging. Und manchesmal hieß dies 1,5 bis 2 Stunden und manchmal 0 zusätzliche Stunden Hindi am Tag. Jedoch vor allem zu Beginn büffelte ich jede freie Minute um im Kurs mithalten zu können. Das Tempo welches wir vorlegten, war enorm = Lichtgeschwindigkeit = Jean-Luc Picard’s Warpgeschwindigkeit. Ich hatte drei Tage um 11 Vokale inklusive ihrer Kurzform (2×11=22) und rund 40 neue Konsonaten zu lernen. Das positive daran ist, das wie im Deutschen und anders als zum Beispiel im Englischen, jeder Buchstabe ausschließlich eine phonetische Entsprechung hat und diese auch immer gleich ist. Im Vergleich zum Englischen, in dem sowohl ‚ea‘, als auch ‚ee‘ oder ‚i‘ als unser bekanntes ‚i‘ ausgesprochen wird, würd ich mal sagen Glück gehabt. 😀 In Hindi waren wir also, wenn es um die Aussprache ging, auf der sicheren Seite. Ein ‚a‘ ist immer ein ‚a‘ und ein ‚b‘ immer ein ‚b‘ und es sieht auch immer gleich aus. Erste kleine Herausforderung hinsichtlich der Buchstaben im Schriftbild: Manchmal ist ein Buchstabe nur ein Punkt, ein Kringel nach links oder rechts, ein Hacken oder Doppelhacken oder ein simpler Strich. Oder er ist ganz einfach nicht da, ist aber doch da, da er ausgesprochen wird. 😀

Und dann, ganz gemein: Hat man mühsam alle Buchstaben fleissig gelernt, wird man mit über 100 Kombinationen konfrontiert, in der zwei Konsonanten mal so eben zu einem neuen Gebilde zusammenschmelzen, manchmal offensichtlich und manchmal eben nicht. Tja, es wurde komplizierter und tja, ich habe es so gewollt…. 😀 Und anders als die letzen 36 Jahre befanden sich die Buchstaben nun nicht mehr auf einer Linie, sonder hangen unter einer. Aber den Bogen hat man relativ schnell raus. Wenigsten etwas…. 😀

Verrückt! Die ganzen vier Wochen waren verrückt. Ich gestaltete es mir so witzig wie möglich und es machte in der Tat auch viel Spaß, aber ich war jeden Tag durch. Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren. Ich lernte eine neue Schrift zu schreiben und zu lesen. Diese Schrift hatte einen romanischen Übertrag, den es zu verstehen galt und als wäre dies nicht genug lernte ich Hindi in Englisch also im Vergleich zur Englischen Grammatik, nicht zur Deutschen, das heißt verstand ich es nicht in Englisch musste ich es noch für mich ins Deutsche runterbrechen. Ich wiederhole es gern: mein Hirn hatte Schwersarbeit auf hohen Niveau zu leisten. Schlaf begann auf nicht sehr wundersame Weise sehr, sehr, sehr, sehr wertvoll zu werden. Leider lag die Schule nicht gleich um die Ecke. Ich brauchte jeden Tag etwas über eine Stunde hin und die Stunde brauchte ich auch wieder zurück. Aß ich nicht in der Schule zu Mittag (war ein bissel teuer), kam ich zwischen zwei und drei Uhr nach Hause und kochte erst einmal „fix“ für mich, organisierte oder sortierte etwas und als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es zwischen sieben und acht. Dann fingen wir an zu überlegen, was wir zum Abendbrot kochen wollten und fingen an zu schnippeln um dann zwischen zehn und elf zu essen und obwohl mich mein Bett bzw. meine Matratze lautstark rief, war ich tapfer und lernte manches Mal noch bis 1 Uhr Hindi. Ich fühlte mich ein wenig in Unizeiten zurückversetzt. 😀 Nur das mein Wecker kurz nach halb sieben wieder klingelte…. Ja, ich bin sehr stolz auf mich. Ich kam nur zwei oder vielleicht drei Mal zu spät. Ich hatte aber auch den weitesten Anreiseweg. Alle anderen wohnten in 10-minütiger Laufdistanz. Nicht, das ich mich rechtfertigen müsste…. 😀

Nein, wie gesagt, verrückte Zeit, aber auch sehr witzig. Das nicht so tolle: Wir sprachen kaum. Jaaa…., ich weiß und ich höre eure Gedanken, eine Sprache lernt man nur wenn man sie auch spricht. Richtig! Dies ist auch meine Meinung. Stattdessen galoppierten wir durch die Grammatik und lernten eine Regel nach der anderen. Ich habe einige Zeit damit zugebracht zu überlegen, was der beste Weg ist, sich einer neuen Sprache zu nähern. Und ob das Konzept der Schule das cleverste ist. Ich denke, es ist weder falsch noch richtig, es war einfach nur viel zu viel in viel zu kurzer Zeit und viel zu wenig Sprachpraxis. Ich möchte nicht missen, was ich gelernt habe, hätte mir aber mehr praktische Anwendungsbeispiele gewünscht, da ich mit meinem Gemüse- und Saftmann, mit dem Lebensmittelverkäufer und meinem Rickshawfahrer kommunizieren wollte. Das war nun leider immernoch nicht möglich. Das Hindi, welches man schreibt ist nicht ganz das Hindi, welches man auf der Straße spricht. Ein allgemeingültiger Satz, der womöglich für alle Sprachen mehr oder weniger gilt, aber ich denke im Hindi ganz besonders, da es so unglaublich vielen Einflüssen ausgesetzt ist und von ca. einer halben Milliarde Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen Indiens mit den unterschiedlichsten Sprachhintergründen gesprochen wird.

Ich habe noch nie eine Sprache gelernt, in der sich Respekt so intensiv im geschriebenen und gesprochenen Wort wiederspiegelt, in der es sechs Worte für das kleine, aber zugegebenermaßen wichtige Wort „ich“ und in der es keine einfache und knackige Entsprechnung für das Verb „haben“ gibt. Es war ein Abenteuer.

Seitdem ich mit Daniel zusammen bin und so in den Genuss meines täglichen privaten Sprachunterrichts komme, hat sich neben der von Zeit zu Zeit aufkommenden Frustration eine Art Faszination für das Erlernen einer Sprache hinzugesellt. Ja, ich bin leider kein Naturtalent, aber im Gegensatz zur Schulzeit macht es nun endlich viel mehr Spaß. Es ist sehr spannend zu beobachten und an einem selber bewusst zu entdecken und zu erfahren, wo überall in unserem Sprachapparat Buchstaben geformt werden und wie abgestimmt, aber dadurch auch limitiert, wir auf unser sprachkulturelles phonetisches System sind. Wir haben gelernt Töne in unterschiedlichen Bereichen des Rachen- und Mundraumes, mit der Zunge und den  Lippen sowie unter Einsatz eines verschieden stark eingesetzten Luftstromes zu formen. Das es so hart sein kann seine Muskeln in eine andere Richtung zu lenken, in einem anderen Rhythmus und einer anderen Reihenfolge ist keine neue Erkenntnis, ich finde es nun jedoch überaus faszinierend. Und wie fast alles im Leben, erfordert auch das Erlernen einer Sprache, viel, viel, viel Übung, Geduld, Motivation und Hingabe. Und daher versuche ich nun mehrmals die Woche ein paar Hindiübungen zu machen, damit ich bloss nicht vergesse was ich bis dato gelernt habe. 😀

 

Wenn ich etwas nicht besonders beachte, ignoriere ich es dann?

Ja, sehr weit sehen konnte man in diesen Tagen nicht.

Da war sie. Die Wolke. Farmer verbrannten fleissig Pflanzenreste, welche auf ihren Feldern nach der Ernte liegen blieben. Ganz Nordindien sowie Nordpakistan konnten für rund 10 Tage kaum mehr atmen. Es wurde der Gesundheitsnotstand ausgerufen. Schulen wurden geschlossen, Freunde mit Kindern verließen von jetzt auf gleich die Stadt und alle anderen versuchten das Haus nicht zu verlassen, wenn nicht absolut notwendig. Es war irgendwie Ernst, die Stimmung war seltsam und etwas gruselig. Was ich so noch nicht erlebt hatte: der Smog zog sogar bis in die Metrostationen, welche sich unter der Erde befinden. Es begann an einem Dienstag und ich dachte als ich morgens das Haus zum Hindikurs verließ: ist ja heute irgendwie nebliger als sonst. Wenn es kälter wird in Delhi, ist dies kein großes Ereignis. Aber das war anders.

Womöglich habt ihr es im Fernsehen gesehen. Die französischen Mädels meinten, es wäre ein Thema in den französischen Medien gewesen, keine Ahnung in wie weit Deutschland über den Smog in Delhi berichtete. Fast alle meine Freunde sind krank geworden. Erkältungen mit und ohne Fieber machten unter ihnen die Runde. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und ich?! Nichts! Gar nichts! Nicht, dass ich erwartet hätte in irgendeiner Form krank zu werden, aber das mein Körper diese extreme Wettersituation ohne irgendwelche Beeinträchtigungen gemeistert hat, fand ein wenig Anerkennung. Nur an einem Tag, an dem ich wirklich von früh bis abends unterwegs war, brannten meine Augen ein klein wenig. Ich bin sehr dankbar, das mein Körper so gut konditioniert ist und womöglich hat sich meine gesunde Lebensweise in diesen Tagen besonders ausgeszahlt.

 

Und sie liefen und liefen und liefen

Ich musste mit dabei sein. 🙂

Und dann wurde es kühler. Und wenn es sich in Delhi etwas abkühlt, erwacht die Stadt aus der Hitzelähmung und es finden täglich viel zu viele und viel zu interessant klingende Events statt. Festivals, Eröffnungen und Ausstellungen jeglicher Art, Filmvorführungen, Musikabende, Konzerte, Theater- und Tanzvorstellungen, für jeden ist etwas dabei. Und wenn man dann auch noch so tatendrangmäßig veranlagt ist wie meiner einer, dann könnte man sich dabei ertappen täglich irgendwo hinzustiefeln und von einer Veranstaltung in die nächste zu stolpern. Gesagt, getan. 😉

Eines der Festivals, welches ich nicht ungenutzt an mir vorbeiziehen lassen wollte, war das Delhi Walk Festival. In der ersten Novemberhälfte fanden an 10 Tagen rund 70 Stadtrundgänge zu unterschiedlichsten Themen in Delhi und Umgebung statt. Geschichte und Kultur, Musik und Dichtung, Fotografie, Architektur, Religion sowie Natur und Umweltschutz. Ich hatte sprichwörtlich die Qual der Wahl. Ich entschied mich für fünf der angebotenen Spaziergänge. Ich ergriff die Möglichkeit das älteste der sieben Dörfer, aus dem Delhi hervorgegangen ist und welches ich schon immermal erkunden wollte, kennenzulernen. Weiterhin wählte ich zwei Naturspaziergänge und einen zur Geschichte eines anderen Viertels in Neu-Delhi.

Einer der Spaziergänge in Mehrauli wurde von einem Fotografen geführt. Zum ersten Mal seit meinem Aufenthalt hatte ich also die Möglichkeit wieder ein bisschen indisches Alltagsleben festzuhalten. Ich weiß nicht warum, aber es fällt mir nach wie vor sehr schwer meine Kamera auf der Straße einzusetzen. Aber mit Vicky und „im Schutz“ der Gruppe knippste ich was das Zeug hält und war zum Schluß sehr glücklich, den Schritt gemacht und mich getraut zu haben. Auch wenn die Bilder keinem hohen Anspruch Stand halten, es hat wieder sehr viel Spaß gemacht meine Kamera in den Händen zu halten.

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Sehr begeistert war ich auch von dem Yamuna River Walk. Ja, durch Delhi fließt ein Fluß – der Yamuna. Das wusste ich, doch gesehen hatte ich ihn noch nie. Das ist nicht so wie bei uns. Hier geht man nicht am Fluss spazieren, hat ein Picknick, Eis oder Kaffee mit Blick aufs Wasser, legt sich in die angrenzende Wiese, den Kies oder sogar Sand um zu entspannen oder ein Buch zu lesen. Leider findet man nicht wenig Müll im Yamuna, was einem die zuvor genannten Aktivitäten etwas erschweren würde. Doch der Spaziergang fand nicht in der Stadt, sondern oberhalb von Delhi statt. Ich fuhr mit der Metro weit in den Norden und nach einer weiteren ca. 45 minütigen Minibusfahrt befanden wir uns auf dem Land und inmitten der Natur. Damit hatte ich wirklich nicht gerechtet. So toll. Hier ist der Fluss noch sauber. Hier wird sogar noch darin gebadet, gefischt und die ein oder andere Zeremonie durchgeführt. Unvorstellbar, wenn man den Zustand des Gewässers aus der Stadt kennt. Ich habe diesen Spaziergang sehr genossen. Die Stille, die äußere Gelassenheit der Dorfbewohner, das Grün der Felder, der Bäume und des Grases, die unterschiedlichen Vogelarten und die Wasserbüffelherde, welche durch den Fluss von einer Seite zur anderen watete. Auch wenn wir auf Grund des Smogs nicht sehr weit schauen konnten, hatte sich dieser Spaziergang sehr gelohnt.

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Gelohnt hatte sich auch mein Delhi Tree Walk am selben Tag am Nachmittag. Ich freute mich den in Delhi heimischen Bäumen näher zu kommen. Was ich auch hemmungslos tat. Ich fühlte ihre Rinde, Blätter, Samen und Früchte. Ich lernte viel über Blattformen und bewunderte kleine und große Blüten. Delhi, ja man mag es kaum glauben, ist eine der grünsten Mega-Großstädte dieser Welt.

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Und die Moral von der Geschicht: Vertrau keinem (deutschen) Optiker nicht!

Ein Optikergeschäft in Old Delhi.

Tja, ich hätte ihm nicht blind vertrauen sollen – dem Apollo-Optiker-Mann im Apollo-Optiker-Geschäft in Leipzig. Nach fünf Jahren war die Zeit für eine neue Brille gekommen. Ich liebte meinen Rahmen noch immer, doch Gläser konnte man diese zerkratzen ovalen Scheiben, durch welche ich nunmehr ein halbes Jahrzehnt blickte, nicht mehr nennen. Obwohl die letzten Jahre alles gut gegangen war (klopf, klopf, klopf), fand ich die Idee einer Ersatzbrille nicht verkehrt und damit war meine Mission definiert: Ich hätte gern neue Gläser in meiner alten Fassung und eine komplett neue Brille. Da ich den Gedanken schon seit letztem Jahr in mir trug und es in Indien wohl etwas preiswerter war sich eine Brille machen zu lassen, stand dies auf meiner diesjährigen To-Do-Liste.

Amit, welcher Sehstärken ähnlich den meinen in seiner Fassung mit sich herumtrug und somit die Bedeutung einer gut funktionierenden Brille, wie ich, sehr schätzte, hatte einen Optiker seines Vertrauens und genau diesen steuerte ich mit Payal, der Freundin welcher bei uns untergekommen war, und meinem Apollo-Optiker-Zettel, auf welchem meine Stärken standen, an. Es hatte rund eine halbe Stunde und ein paar neue wirklich tolle Fassungen auf der Nase gedauert, da hatten wir ein neues Gestell für mich und Payal gefunden. Die erste Hälfte der Mission war also in trockenen Tüchern. Und dann war es an der Zeit für eine kleine aber feine Lektion.

Ich reichte dem indischen Optiker den aus Deutschland mitgebrachten Apollo-Optiker-Zettel auf denen meine Werte standen OHNE auf den Gedanken zu kommen meine Brille zur Sicherheit doch noch einmal auslesen zu lassen. Ich fand mich ja im Glauben, alles ist gut. Und wenn ich ganz ehrlich bin, traute ich den indischen Gerätschaften nicht so ganz…. Und genau hier wurde ich eines besseren belehrt…

Nur zwei Stunden später hielt ich meine neue Brille in den Händen bzw. setzte sie mir auf die Nase, was mich wiederum ziemlich schnell auf einen Stuhl hat setzen lassen, da mir untertrieben gesagt etwas schwindelig wurde. Die ersten Minuten sind immer etwas schummrig, das ist mir bekannt, doch der Unterschied war irgendwie eigenartig heftig. Gut, die neuen Gläser waren mehr als glasklar und auch noch einmal bei weiten dünner als meine vorherigen, aber sollte dies mein Hirn so verwirren? Optimistisch wie ich bin, gab ich mir noch ein paar Minuten auf dem Stuhl und versuchte mich in meine neue alte Sehschärfe einzufühlen. Taktisch nicht verkehrt gedacht, ließ ich meine alte Brille noch unangetastet. Ein Backup, falls mit der neuen etwas nicht in Ordnung sein sollte, schien mir ratsam. (Der zugegebenermaßen nicht witzige Gedanke, keine Brille zu haben mit der ich gut sehen konnte, ließ mich alle vorhandenen Vorsichtsmaßnahmen treffen, welche zur Verfügung standen.) Draußen wurde es allmählich dunkel, aber zum Glück hatte ich Payal dabei und so versuchte ich einen Fuß vor den anderen zu setzen, auf einem Boden, welcher irgendwie nicht richtig zu einander passen wollte. Aber jut, ich dachte noch immer mein Hirn wird eine gewisse Anpassungszeit benötigen, bevor ich wieder leichtfüßig auf den Straßen und durchs Leben hüpfen konnte.

Sicher und ohne Zwischenfälle zu Hause angekommen, machte ich mich auf die Suche nach einer Mail, welche Vati mir vor rund zwei Jahren hat zukommen lassen. Diese Mail barg einen Anhang, welcher mich ein klein wenig aus allen Wolken fallen und ein klein bisschen fluchen ließ…. Mein Brillenpass. Was im Gottesnamen hat der gute Apollo-Mann da auf seinem Zettel notiert. Stärke und Zylinder waren korrekt, doch wie konnte er sich so heftig mit meiner Achse vertun oder hatte ich mich wirklich so verlesen? Für mich stand da eindeutig eine 26. Ich habe den Zettel entsorgt, kann also nicht mehr nachschauen in wie weit die 2 einer 11 gleicht, da mein tatsächlicher Wert 116 ist.

Prima, da hatte ich also den Salat. Eine tolle neue Brille mit einem nicht so tollen falschen Wert im rechten Auge. 26 = 116. Meine Zeit in Delhi neigte sich dem Ende entgegen, meine Tage waren relativ voll gepackt (sagen wir etwas sehr voll) und nun musste ich noch einmal den etwas weiteren Weg nach Old Delhi antreten, allein den Weg zum Laden finden und erklären was passiert war. Zum Glück hat mir die Erklärung Payal abgenommen. Sie rief die beiden Optiker an, erklärte ihnen was passiert war und was nun getan werden musste. Der eine konnte zwar etwas Englisch, aber warum nicht einen Hindi Muttersprachler nutzen, wenn ich mit zweien zusammenlebte. 😉

Aber alles gut, nachdem ich mich kurz verlaufen hatte, fand ich Shop Nummer 1373 in Ballimaran, Old Delhi. Alle wußten Bescheid und ich hatte meine Lektion gelernt: Ich ließ also brav sowohl meine Brille auslesen als auch noch einmal meine Augen testen. Und da ich nun sicher gehen konnte, dass wir meine richten Werte gefunden hatten, überließ ich den Herren beide Brillen. Die neue, in der das rechte Auge nachjustiert werden musste und meine alte, welche mit niegelnagelneuen Gläsern aufpoliert wurde. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen…, und so war es auch. 🙂

In Leipzig hätte das Einsetzen der neuen Gläser in meine alte Brille eine Wartezeit von 14 Tagen bedeutet. Hier hielt ich beide neuen Brillen in weniger als einer Stunde in meinen Händen. Eine neue Fassung mit noch dünneren Gläsern hätte mich in Deutschland locker über 250 Euro gekostet. Meine indische Rechnung belief sich auf insgesamt 2450 Rupee für die neue Brille. Der Umrechnungskurs liegt im Moment bei 1 Euro = 75 Rupee. Das teuerste an der neuen Brille war der Rahmen mit 1150 Rupee, umgerechnet 15,30 Euro. Ein Glas, welches noch dünner und somit noch leichter war als mein vorheriges, was bei meiner Stärke durchaus von Bedeutung ist, schlug mit 425 Rupee, also 5,60 Euro zu buche. Das brauchte ein paar Sekunden, um anzukommen. Was soll ich sagen, ich war sehr sehr glücklich und hatte letzten Endes Glück, dass das Auswechseln des einen Glases kein finanzielles Disaster war.

Die Moral von der Geschicht: Vertrauen ist gut! Und nein, nichts mit Kontrolle. Einfach Vertrauen. Vielleicht nicht den deutschen Optikern, aber dem Leben. 😀

 

Ton – im Sinne von Keramik nicht im Sinne von Musik 🙂

Ich musste es einfach ausprobien. Es ging kein Weg daran vorbei. Es stand schon sehr, sehr lange auf meiner Wunschliste: Töpfern. Als Teenager hatte ich mit meiner Mutsch mal einen Kurs besucht, aber dieser liegt ca. 20 Jahre zurück. Und so sah ich mich ein Töpferstudio in Delhi suchen und finden.

Ich war aufgeregt und freute mich riesig als es nach einer kurzen theoretischen Einführung losging. In neun Sessions à 2,5 Stunden bekam ich einen Einblick in die Arbeit an der Töpferscheibe und lernte unterschiedliche Techniken Ton eine Form zu geben. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Mal schauen was die Zukunft in Sachen Ton noch so für mich bereithält. 🙂

Hier das Ergebnis meiner ersten Versuche:

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Meine letzten 168 Stunden

Keramikshooting für mein Tonstudio.

Puh……, mein Kopf schwirrte. Ich wollte zuviel. Am Freitagmorgen ging mein Flieger, ich hatte den Hintern voll zu tun und konnte bis zur letzten Stunde nicht ‚Nein‘ sagen. Aber beschweren war nicht. Mission war konzentriert zu bleiben und meine Gedanken zusammenzuhalten. Was ehrlich gesagt, dieses Mal eine kleine Herausforderung war.

Folgendes lag in dieser letzten Woche unter anderem noch an: die Lösung meines Brillenproblems, das Zuendebringen meines Töpferkurses, Besuch von Vickys Ausstellungseröffnung, Essen mit Rajiv, Treffen meiner Mädels, Besuch eines Töpfermarktes, das immernoch suchen und endlich finden einer Schneiderin, welche mir mein Oberteil für die Hochzeit zurechtschneiderte, auch benötigte ich noch Ohrringe fürs Outfit. Prateeks Geschenk musste noch verpackt werden und dafür musste noch das Verpackungsmaterial her. Eigentlich wollte ich mir den Tag vorm Flug fürs Packen frei halten, doch die Besitzerin vom Tonstudio fragte mich, ob ich Fotos von ihrer neuen Frühstücks- und Abendbrotkollektion machen konnte. Ich hatte zuvor bereits Fotos vom Studio und einem Kurs geschossen, von denen sie sehr begeistert waren. Und klar, keine Frage hatte ich Lust dazu. Ein Keramikshooting mit richtigem Essen hörte sich nach einer Möglichkeit zum Lernen und Horizont erweitern hinsichtlich meiner Fotopraxis an. Als zusätzliches Dankeschön luden sie mich zum Mittag ein und ich konnte meine Töpferstunden inoffiziell ein wenig ausdehnen. Weiterhin hatte ich der Mutti eines Freundes, welche Künstlerin ist, versprochen eine Webseite für sie zu erstellen und dafür mussten alle ihre Bilder fotografiert werden. Und da mir kein Tageslicht mehr zur Verfügung stand, war das gar nicht so einfach wie es sich anhört. Die Fotos so zu schießen, dass das Bild farbgetreu abgebildet ist, war eine kleine Herausforderung. Aber auch diese hatte ich gemeistert. Nach einigen Stunden hatte ich alle Bilder im Kasten. Ganz spotan wurde ich als Dankeschön auf die Geburtstags-Überraschnungsparty ihrer Tochter eingeladen und so schloss sich ein sehr lustiger und unglaublich leckerer Abend in einem burmesischen Restaurant an.

Und schwupp die wupp war die Woche um. Gott sei Dank hatte ich schon Tage zuvor begonnen meine Sachen noch einmal zu waschen, zu sortieren und meinen Rucksack vorzubreiten. Mein Koffer mit Dingen, welche ich im Moment nicht benötige, blieb in Delhi. Dennoch packte ich bis fast zur letzten Sekunde. Mir blieben rund drei Stunden Schlaf bevor ich an einem Freitagmorgen zum Flughafen aufbrach. Abschiede fallen mir immer schwer. So auch von meinen Jungs und Payal. Die zwei Monate in Delhi waren großartig. Sehr intensiv und erreignisreich wie Indien nun einmal ist, aber wie gesagt habe ich bis auf wenige Momente jeden einzelnen Tag genossen.

Von Delhi aus flog ich für vier Tage nach Mumbai. Meine Anwesenheit auf meiner ersten indischen Hochzeit stand an. Die Besorgung des Outfittes für dieses Event hat Konstanze und mir ein wenig Geduld abgefordert, aber nach einigen Stunden des Suchens an einigen Tagen hatten wir alles zusammen. Ich glaube ich bin insgesamt sieben oder acht Mal losgestiefelt um alles zu besorgen und fand wie gesagt, Gott sei Dank, in der letzten Minute noch eine Schneiderin, welche mir mein Oberteil anpasste. Näher auf die Hochzeit und ihre unzähligen Zeremonien einzugehen, würde mich eine weitere Woche des Schreibens kosten. Außerdem hat mein Freund mich darum gebeten die Bilder, welche ich veröffentlichen möchte, mit ihm abzustimmen. Und da er gerade auf Hochzeitsreise ist, lade ich nur ein paar Bilder von mir und meinem Outfit hoch. 🙂

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Von Mumbai aus ging es bereits Mitte Dezember nach Malaysia. Hier durfte ich nach etwas über fünf Monaten Trennung endlich Daniel wiedersehen. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war die Freude mehr als groß. 😀 Was wir so alles angestellt haben und das ich eine bereits gemachte Erkenntnis noch einmal erkennen wollte, lest ihr im nächsten Beitrag. Nach Malaysia ging es weiter nach Thailand und da bin ich noch immer. Mir geht es sehr, sehr gut. Ich bin gesund und munter. Ich wohne gerade bei Schweizer Freunden, welche vor ein paar Jahren hierher gezogen sind. Später dazu mehr.

Ach, bevor ich es vergesse: Ich danke euch allen von Herzen für eure Geburstagsglückwünsche. Danke, danke, danke an jeden, der an mich gedacht hat! Ich habe mich riesig gefreut. 😀 Ich hatte einen ruhigen und entspannten Tag. Meine Freunde haben mich mit einer Karamell-Creme-Torte um Mitternacht überrascht und am Abend habe ich lecker für uns alle gekocht.

Ich bemühe mich den nächsten Beitrag nicht so lange auf sich warten zu lassen. Wie immer könnt ihr gerne Kommentare oder eure Mailadresse für den Newsletter hinterlassen, damit ihr immer informiert werdet, sobald ein weiterer Bericht veröffentlicht ist.

Ich hoffe euch geht es allen gut und ihr hattet einen wundervollen Start ins Neue Jahr! Von Herzen nur das Beste für jeden Einzelnen von euch. Auf das es ein gesundes und überaus glückliches werden wird! 😀

2 Kommentare

  1. Hey Nancy, hab mich über deinen Bericht gefreut und ihn wieder fleißig gelesen. Bin wie immer gespannt wie es in deinem Leben so weiter geht und freu mich schon auf den nächsten ausführlichen Beitrag.
    Liebe Grüße und fühl dich gedrückt!
    Deine Tina

    1. Liebes Tinchen,
      ich habe mich sehr über dein Kommentar gefreut! 😀
      Die nächsten Beiträge werden dieses Mal wohl nicht so lange auf sich warten lassen. (Denke ich, hoffe ich 😉 )
      Dicke Umarmung zurück!

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